Barriere-frei?
Autoreninfo: Anne-Sophie Barreau, ADAC Westfalen e.V.Christine Schmitt holt gerade ihre Tochter Franka von der Grundschule ab. Lasse sitzt im Kinderwagen, neben ihm schläft Bennet und May ist wie ihre Mutter zu Fuß unterwegs. „Wir legen viele Wege mit dem Kinderwagen oder dem Fahrradanhänger zurück“, sagt Christine. „Das ist in Vreden wunderbar möglich.“ Denn wo Stufen oder enge Eingänge oft ein Hindernis sind, ist dies in der Marien-Schule mit ebenerdigem Eingang und Aufzug überhaupt kein Problem. Kein Zufall, denn in Sachen Barrierefreiheit ist der idyllische Ort im westlichen Münsterland nahe der holländischen Grenze ein Vorbild.
Ein Wanderweg für Rollstuhlfahrer
Seit Oktober 2019 ist Vreden als „Tourismusort für Alle“ zertifiziert – gemeinsam mit Dortmund als erster Ort in NRW und mit Bremerhaven und Erfurt sogar in ganz Deutschland. Ausschlaggebend für die Auszeichnung war das Gemeinschaftsprojekt „NaturTour für Alle“: eine über 30 Kilometer beschilderte Fahrradroute in und um Vreden, zu der ein Netzwerk von Kultureinrichtungen und Betrieben gehört, die sich nach und nach als barrierefrei zertifizieren ließen. „Von den barrierefreien Angeboten profitieren alle in Vreden – Touristen und Einheimische, Rollstuhlfahrer, Radfahrer, Senioren und Familien mit Kinderwagen oder Fahrradanhänger. „Barrierefreiheit geht uns alle an“, betont Karin Otto vom Stadtmarketing Vreden, die das Projekt initiiert hat. „Es geht dabei immer auch um die Sensibilisierung dafür. In Vreden ist das Thema bei der Stadt und unseren Partnern gesetzt.“
„Es hängt immer an den Menschen, die das Thema vorantreiben“
Christine und ihre vier Kinder gehen heute in den Buchladen, später ist sie mit Freunden im Café zum Eis essen verabredet. In die Buchhandlung, genauso wie in die meisten Geschäfte, kommt die 37-Jährige mit dem Kinderwagen gut rein: „Die Eingänge sind stufenfrei und auch an der Kasse komme ich gut durch.“ Auf dem Nachhauseweg zeigt Christine den Busbahnhof am Viehmarkt: Hier weisen taktile Bodenelemente auf die Bahnsteigkante hin, in der Mitte der Anlage zeigen elektronische Anzeigetafeln den Fahrplan an, den man sich per Knopfdruck vorlesen lassen kann. Das ist nicht nur für sehbehinderte oder blinde Fahrgäste eine wichtige Orientierungshilfe, sondern auch für Leseanfänger wie May praktisch. „Manchmal kann ich den Fahrplan einfach nicht so schnell lesen“, meint die Erstklässlerin.
Ein Biergarten für alle
Weiter geht es zum Café. Dort angekommen, machen es sich alle im sogenannten „Mehrgenerationen-Biergarten“ gemütlich. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat das Projekt mit 75.000 Euro gefördert. Dafür konnte unter anderem ein barrierefreier Zugang angelegt, Stühle mit Armlehne und eine prall gefüllte Spielzeugkiste angeschafft werden. Und jetzt gibt es endlich Eis! Franka und May holen sich außerdem Malkreide und Springseil aus der Kiste, Lasse entscheidet sich für das Bobby-Car.
Stufenlos mobil um den Berkelsee
Währenddessen ist Jan Liefkes mit seinem Lastenfahrrad in Vreden unterwegs. Für seine Imbissbude liefert der 29-Jährige damit in der Stadt Pommes, Currywurst und regionale Spezialitäten aus. „Mit dem Rad komme ich hier gut und schnell ans Ziel: Es ist flach und die Fahrradwege sind einfach top“, erklärt er. Heute hat ein Kunde in einem Wohnviertel ganz in der Nähe der Innenstadt bestellt. Doch auf dem Weg dorthin muss Jan anhalten: ein sogenanntes Umlaufgitter versperrt ihm den Weg. Jan steigt ab und manövriert sein Rad mühsam hindurch. Damit das nicht so bleibt und in Zukunft alle Verkehrsteilnehmer auf Rädern hier ungestört durchkommen, lässt die Stadt das Hindernis entfernen. „Um Barrieren abzubauen, braucht es zuallererst den Blick dafür, wo sich noch etwas verbessern lässt und dann natürlich auch die Bereitschaft, etwas zu verändern. Dafür sind nicht zuletzt auch finanzielle Mittel notwendig“, betont Karin Otto. „Hier ist beides vorhanden. Wie toll die Zusammenarbeit mit der Stadt Vreden funktioniert, zeigt sich zum Beispiel bei der Sanierung der Radwege, für das ein festes Budget eingeplant ist.“
Zum Radwegenetz gehört auch die Brücke, die über den Fluss Berkel führt und bald Teil der „NaturTour für Alle“ sein wird: Mit ihren 2,50 Metern ist sie nicht nur breit genug für Rad- und Rollstuhlfahrer, sondern dank ihrer nagelneuen, speziellen Beschichtung auch rutschfest. „Gerade bei Nässe und Kälte ist das besonders wichtig“, sagt Jan Liefkes. Weiter geht es entlang des Radwegs am Berkelsee zu seinem letzten Kunden für heute. Die sogenannte „wassergebundene Decke“ mit feinem Schotter, auch 2,50 Meter breit, hält auch starkem Regen stand und ist perfekt zu fahren – für Fahrrad- und Rollstuhlfahrer, genauso wie für Familien mit Kinderwagen.
Für Karin Otto zeigt das: Barrierefreiheit ist mit großem Einsatz und letztlich auch mit Kosten verbunden. „Ein Ort kann nie zu 100 Prozent barrierefrei sein. Es ist ein Prozess. Auch in Vreden gibt es in Sachen Barrierefreiheit noch einiges zu verbessern. Es hängt immer an den Menschen, die dahinterstehen und das Thema vorantreiben.“
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Wie barrierefrei ist NRW? Die ganze Geschichte gibt’s in der Herbstausgabe des NRW-Regionalmagazins der Motorwelt. ADAC Mitglieder können das Clubmagazin kostenlos in allen Service-Centern/Geschäftsstellen des ADAC sowie bei über 1850 Edeka- und Netto-Märkten in Nordrhein-Westfalen abholen (hier Ihren nächsten Abholort finden). In NRW enthält die ADAC Motorwelt wie gewohnt ein 24 Seiten starkes Regionalmagazin
www.adac.de/der-adac/regionalclubs/nrw/adac-motorwelt-nrw-herbst/
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